Von Joachim Spahn
Das Publikum, das mehr als eineinhalb Stunden lang förmlich an den Lippen des über Jahrzehnte hinweg erfolgreichsten Managers der Bundesliga hing, lernte Hoeneß weniger als Sinnbild für rastlose Erfolgssucht, sondern vielmehr als geradlinigen, zuverlässigen und großherzigen Menschen mit Bodenhaftung kennen.
Hoeneß: Nie vergessen, wo man herkommt!
„Das Wichtigste ist, dass man nie vergisst, wo man herkommt“, zeigte der am 5. Januar 1952 als Sohn eines Metzgermeisters geborene „Bayern-Macher“ auf, der 1970 als 18-jähriger Jugendnationalspieler von Ulm aus ausgezogen war, um die große Fußballwelt in München zu erobern. Nachdem er bereits mit 22 als Sportler alle Titel gewonnen hatte, die der Fußball zu bieten hat, tauschte er schon fünf Jahre später „die Fußballschuhe gegen den Platz am Schreibtisch“. Hoeneß rückblickend: „Ich hatte mir schon früh erstmals den Meniskus zerrissen. Da war klar, dass ich nicht bis zum Alter von 35 Jahren aktiv Fußball spielen kann.“
In seiner über 30-jährigen Manager-Tätigkeit formte er den FC Bayern in Deutschland zur Nummer eins und weltweit zu einer der Topadressen der Fußball-Branche. „1979 waren wir ein Verein mit einem Umsatz von 12 Millionen Mark und sieben Millionen Mark Schulden. Heute machen wir einen jährlichen Umsatz von 350 Millionen Euro und der FC Bayern steht wirtschaftlich so gut da wie nie zuvor.“
„Man muss sich jeden Tag den Hintern aufreißen!“
In der Ära Hoeneß schrieb der 22-fache Deutsche Meister und zweimalige Weltpokalsieger alljährlich neue Rekorde in seine Bilanzen. „Wir haben in den letzten 25 Jahren nur einmal einen kleinen Verlust gemacht“, verriet der dereinst von „Spähern“ beim VfB Ulm entdeckte Weltmeister, Europameister und Europapokalsieger den vielen „Bankern“ im Publikum – und gab den Zuhörern zugleich sein Erfolgsrezept schlechthin mit auf den Weg. „Man muss sich jeden Tag den Hintern aufreißen – und erst wenn auch der letzte Mitarbeiter zufrieden ist, kannst Du auch selbst zufrieden sein.“
Die Mitarbeiter der Finanzbranche und die vielen Fußball-Experten im Saal spendeten dem Präsidenten und Aufsichtsratsvorsitzenden des FC Bayern wiederholt langanhaltenden Beifall. Ovationen, über die sich Hoeneß wenige Monate vor seinem 60. Geburtstag am 5. Januar kommenden Jahres sichtlich freute. So steckte es der Inhaber einer höchst erfolgreichen Nürnberger Wurst-Firma („Das Unternehmen läuft wie geschmiert.“) denn auch locker weg, dass ihn ausgerechnet ein „Gladbach-Fan“ auf den letzten Kilometern seiner Anreise nach Herborn kutschierte. „Der FC Bayern ruht im Moment in sich selbst“, zeigte Hoeneß auf, warum ihn derzeit so gut wie gar nichts aus der Fassung bringen kann.
„Jupp Heynckes – das ist ein Super-Trainer.“
Auf der Grundlage der aktuellen sportlichen Erfolge des deutschen Rekordmeisters – die zu einem wesentlichen Teil auf der Arbeit von Coach Jupp Heynckes basierten („Das ist ein Super-Trainer.“) – arbeitet der Präsident zurzeit „mit Nachdruck daran, dass wir einen vernünftigen Generationenwechsel hinkriegen“. Zwar könne er sich vorstellen, „noch mindestens vier, fünf Jahre“ weiter zu machen. Er selbst werde aber, wie auch die aktuellen Vorstandsmitglieder Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner, nicht jünger.
Dass seine vielen Auszeichnungen für sein enormes Engagement im sozialen Bereich nicht von ungefähr kommen, unterstrich „Mister Bayern“ nicht nur dadurch, dass er das Honorar für seinen Auftritt in der Herborner Konferenzhalle am Donnerstagabend einem guten Zweck und einer gemeinnützigen Einrichtung spendete. „Dem, der am Boden liegt, musst Du helfen. Dem, der oben steht, musst Du eins auf die Nase geben“, fasste Hoeneß seine Lebenseinstellung kurz zusammen. „Wir stehen alle im Sonnenlicht des Lebens. Da darf man die, denen es nicht so geht, nicht vergessen.“
Mehr als selbstverständlich müsse es daher sein, dass der FC Bayern seinem jungen Verteidiger Breno, der nach einem Hausbrand und privaten Sorgen in Schwierigkeiten geraten sei und dessen sportliche Karriere an einem seidenen Faden hänge, zur Seite stehe – und dass die Münchener auch die nie vergessen dürften, die den heute 169.000 (!) Mitglieder zählenden Verein „groß gemacht“ hätten. Hoeneß: „Für jemanden wie Gerd Müller, dem es zurzeit nicht gut geht, muss immer Zeit und Geld da sein.“
Apropos Zeit: Die nahm sich der 59-Jährige „Promi-Gast“ schließlich auch, als es galt, sich der Diskussion mit dem Publikum in der Konferenzhalle zu stellen. Die Frage des Schönbacher Trainers Bernd Ludwig nach seiner christlichen Grundhaltung („Sind Sie gläubig?“ – Hoeneß: „Ja.“) beantwortete der Präsident der Münchener ebenso frank und frei von der Leber weg wie die des Langenaubacher „Vereinsmachers“ Michael Wagner nach der Haltung des deutschen Rekordmeisters im aktuellen Streit mit dem niederländischen Fußball-Verband.
„Mister Bayern“ ruht auch ohne „Buddhas“ in sich selbst
Auch die vielen Autogrammwünsche erfüllte Hoeneß mit einer Tiefenentspanntheit, um die ihn jeder Yoga-Lehrer beneiden würde. „Mister Bayern“ ruht zurzeit offenbar auch ohne „Buddhas“ an der Säbener Straße in München tatsächlich in sich selbst.